von Andreas Vollmer, BVK Vizepräsident, Bielefeld und Rechtsanwältin Angelika Römhild, Bonn
Mehr als ein Diskussionsthema
Grundsätzlich sind Diskussionen gut. Sie können zur Klärung von Sachverhalten beitragen oder sogar Auseinandersetzungen beenden. Eine Diskussion sollte im besten Fall also für Erkenntnisse sorgen. Schlecht wäre es, wenn stattdessen Irritationen und Missverständnisse als Ergebnis einer Diskussion im Raume stünden.
Im Zusammenhang mit der Diskussion zum Thema „Unabhängigkeit des Versicherungsmaklers“ kann der Eindruck entstehen, dass es zwar eine Vielzahl von Meinungsäußerungen gab, diese in ihrer Gesamtheit aber nicht unbedingt eine Klärung erreicht haben. Maklerinnen und Makler könnten sich in der Situation wiederfinden, durch das Verfolgen der Debatte nicht wirklich an Erkenntnissen gewonnen zu haben. Viele Rückäußerungen, die uns in den letzten Monaten dazu erreicht haben, zeigen allerdings, dass eine Debatte zur Unabhängigkeit längst überfällig ist und auch — gerne kontrovers — geführt werden muss.
Diese Veröffentlichung ist der Versuch, mögliche Irritationen zu beseitigen und einige entstandene Fragen zu beantworten. Ein Anspruch auf eine abschließende Klärung wird nicht erhoben, das wäre wohl vermessen. Es geht um die von jedem Makler selbst empfundene Abhängigkeit bzw. Unabhängigkeit von Geschäftspartnern. Absolute Maßstäbe existieren hier nicht. Wir sind als Berufsverband der Auffassung, dass einige Erfolgsfaktoren in einem Maklerbetrieb stärker, andere weniger stark dazu beitragen, seine Unabhängigkeit zu erhalten.
Die Unabhängigkeit des Maklers ist nicht etwas, mit dem sich Vermittler gerne „schmücken“, wie es in einigen Diskussionsbeiträgen zu lesen war. Sie ist kein „Accessoire“, also „modisches Zubehör“, das man / frau bei Bedarf hervorholt. Sie ist schlicht und einfach eine Notwendigkeit für die Ausübung des Berufs der Versicherungsmaklerin / des Versicherungsmaklers. Da ist zum Beispiel das VVG (§ 59) ganz unmissverständlich: Versicherungsmakler im Sinne dieses Gesetzes ist, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein. Das bedeutet schließlich nichts anderes, als die Forderung nach Unabhängigkeit vom Versicherer.
Auch die Rechtsprechung ist mit ihrer Diktion eindeutig. Nach dem „Sachwalterurteil“ des BGH (Urteil vom 22.5.1985, IV A ZR 190/83) ist der Versicherungsmakler der „Bundesgenosse“ des Versicherungsnehmers bzw. dessen „Treuhänder ähnlicher Sachwalter“. Das erfordert ganz klar Interessenvertretung für den Kunden und eben nicht für den Versicherer. Das ist allseits bekannt (die juristische Seite des Themas haben wir wiederholt in der VersVerm aufgegriffen, u.a. in VersVerm 07/08/2019, S. 276 ff., VersVerm 03/2021, S. 116 ff.) und soweit dürfte es auch gar keine Meinungsverschiedenheiten geben.
Die können dort beginnen, wo sich unterschiedliche Ansichten dazu bilden, wodurch die Unabhängigkeit der Makler beeinträchtigt werden könnte oder beeinträchtigt wird.
Kann sich ein Makler an einen Pool binden und trotzdem unabhängig bleiben?
Da dies eine geschlossene Frage ist, kann die Antwort theoretisch kurz ausfallen: Ja.
Praktisch wird man mit dieser Antwort der Frage natürlich nicht gerecht. Ja, selbstverständlich ist es für einen Makler möglich, für einen Pool zu arbeiten und dennoch die notwendige Unabhängigkeit nicht zu verlieren. Aber das funktioniert nur dann, wenn er die Kontrolle über sein Unternehmen und seine Tätigkeit behält. Insofern muss sich jeder Makler, der (auch) auf die Zusammenarbeit mit Pools setzt, einfach selber fragen, ob er noch „Herr im eigenen Haus“ ist. Oder ob er, vielleicht — aus welchen Gründen auch immer — Kontrolle abgegeben hat und dem Pool Einfluss auf seine Unternehmensorganisation und Unternehmensführung ermöglicht. Hier haben wir eine klare Meinung: Makler, die keinen uneingeschränkten Zugriff auf ihre Kundendaten haben, weil sie den Pool vollumfänglich mit der Datenverwaltung ihrer Kunden- und Vertragsdaten betrauen, riskieren unseres Erachtens in manchen angebotenen Geschäftsmodellen den Verlust der Unabhängigkeit des Betriebes. In der heutigen Zeit ist die Frage der Datenhoheit eine elementare Frage unternehmerischer Selbständigkeit. Die alleinige Datenverwaltung durch einen Pool ohne eigenes Maklerverwaltungsprogramm sehen wir — entgegen anderslautender, laut im Markt artikulierter Gegenpositionen von Maklerpools — als unverändert hoch kritisch an.
Bedeutet die Anbindung an einen Pool die Einschränkung der Produktauswahl?
Ganz sicher gibt es eine große Gruppe von Maklerinnen und Maklern, die diese Frage vehement verneinen. Und diese Reaktion dürfte insbesondere dann berechtigt sein, wenn der Pool für den Makler nicht die einzige Produktquelle ist. Wenn er den Pool für bestimmte Sparten nutzt. Wenn der Makler immer noch die Richtung bestimmt.
Lenkt der Pool durch die „Vergütung“?
Auch hier gilt: Eine Einflussnahme durch die Courtage muss nicht zwangsläufig stattfinden. Aber dort, wo Pools mit nicht transparenten Vergütungssystemen arbeiten, die Kostengestaltung eben nicht klar und eindeutig ist und Courtagen der Versicherer von den Pools nicht an die Makler weitergereicht werden, kommt es zu Verschleierungen, die dem einzelnen Makler, aber auch der ganzen Branche schaden können. Wir sehen hier aus unserer Sicht — unerlaubte — Incentivierungen von bestimmten Produkten durch die Vorauswahl des Maklers. Insider des Marktes berichten uns hier von angeblichen „Regalgeldern“, die Versicherer an Pools zahlen, um ihre Produkte beim Pool-Makler zu pushen.
Der Makler kann eine eventuelle Einflussnahme unter Umständen gar nicht identifizieren. Die Intransparenz sorgt nicht für Vertrauen in die Branche. Es wird auch von „Kostentreiberei“ gesprochen. Und dies ist Wasser auf die Mühlen derer, die Courtagen und Provisionen am liebsten ganz abschaffen würden. Wir sind der Auffassung, dass diese Entwicklungen in der Branche kritisch angesprochen werden müssen.
Bedeutet Abhängigkeit von Serviceleistungen Unabhängigkeit als Makler?
Diese Frage muss wohl bejaht werden.
Zwar muss jeder Makler Serviceleistungen in Anspruch nehmen. Aber auch hier gilt, er muss die Richtung bestimmen. Sobald er so abhängig von einem „Dienstleister“ ist, dass dieser womöglich Einfluss auf strategische Entwicklungen in seinem Maklerunternehmen gewinnt, befindet er sich in einer Schieflage.
Ein tatsächlich unabhängiger Makler weiß, welche Leistungen er zukaufen muss. Er wählt das Angebot, dass er benötigt. Er bestimmt die Richtung.
Haben Pools automatisch einen „Facebook-Effekt“?
Die Frage spielt natürlich auf die Verfügungsgewalt über Daten an. Ändert sich diese Verfügungsgewalt bei der Zusammenarbeit mit Pools? Geht die Kontrolle über Daten und Bestände verloren? Das ist natürlich ein Szenario, das sich kein Makler wünscht. Aber ist es tatsächlich ganz und gar unwahrscheinlich? Wohl kaum. Wenn ein Vermittler zu sorglos mit seinen Daten umgeht und einem Pool zu viele Rechte einräumt, kann es ihm gehen, wie manch einem unbedarften Nutzer von sozialen Medien. Er verliert womöglich den Überblick und ein anderer profitiert von seinen Daten bzw. von seinen Beständen. Hier hilft nur, wachsam sein, die Vereinbarungen lesen und die eigenen Rechte nicht aus der Hand geben. Es sollte einem Makler möglich sein, die Vorteile eines Pools zu nutzen, ohne sich ausnutzen zu lassen.
Auch hier muss also gelten, der Makler bestimmt die Richtung. Er sollte die Hoheit über Daten und Bestände behalten. Diese sind sein Kapital.
Makler haben die Wahl
Kein Makler ist gezwungen, mit Pools zusammenzuarbeiten. Genauso wenig müssen sich Makler aber einem „Pool-Verbot“ unterwerfen.
Bei Medikamenten gilt: Die Dosis macht’s. Auch die Frage: „Wieviel Pool ist verträglich?“ könnte vielleicht mit einem Hinweis auf Verhältnismäßigkeit und das richtige Maß beantwortet werden.
Bei Zweifeln bietet Ihnen Ihr Berufsverband Unterstützung an. Bevor Sie sich dazu entschließen, eine Vereinbarung zu unterzeichnen, sei es mit einem Versicherer, sei es mit einem Pool, nutzen Sie die Expertise des BVK. Sprechen Sie die Fachleute in der BVK-Geschäftsführung an. Sie erhalten eine rechtliche Einschätzung, die Sie nutzen können, um tatsächlich eine freie Wahl zu treffen. Fragen Sie also in diesem Fall nicht Ihren Arzt oder Apotheker, fragen Sie Ihren BVK.
Der BVK spricht für die Maklerinnen und Makler
Wie eingangs festgestellt: Diskussionen sind grundsätzlich gut. Mit dieser Veröffentlichung will der BVK seiner Rolle als Berufsverband gerecht werden. Der Artikel soll ein Beitrag zur Klärung der Situation sein und möchte nicht unbedingt zu weiteren Konfrontationen führen. Aber: Der BVK sieht seine Aufgabe darin, auch als Maklerverband Position zu beziehen. Er ist das Sprachrohr der Vermittler. Das heißt, er spricht hier für die Makler. Er setzt sich für ihre Interessen ein. Da gibt es keinen Interessenkonflikt. Der BVK befindet sich auch nicht irgendwo zwischen den verschiedenen Fronten. Er steht eindeutig im Lager der Vermittler. Der BVK will, dass Versicherungsvermittler ihren Beruf ungestört ausüben können. Ohne Wenn und Aber. Es geht uns um Aufklärung und Sensibilisierung unternehmerischer Leitplanken, die als sicherer Halt schnell verloren gehen können.
Das bedeutet auch, die Stimme zu erheben, Konfrontationen nicht zu scheuen und Diskussionen nicht aus dem Wege zu gehen. Das Thema der Unabhängigkeit ist für Makler substanziell, es betrifft die Substanz ihres beruflichen und unternehmerischen Daseins. Gleichzeitig betrifft es aber auch die gesamte Branche. Wenn die Branche es hinnimmt, dass der Beruf des Versicherungsmaklers in seiner Substanz geändert wird, wird dies weitreichende Auswirkungen haben. Nicht nur für einzelne Maklerunternehmen. Zwangsläufig hätte ein verändertes Maklerbild unerwünschte Nebenwirkungen für die gesamte Branche.