Nachhaltigkeit in der Beratung

Nicht nur im Alltag – auch bei Versicherungen und Finanzanlagen spielt „Nachhaltigkeit“ eine immer größere Rolle. Und hat damit Auswirkungen auf die Beratungspraxis.

Der Arbeitskreis Beratungsprozesse unterstützt Vermittlerinnen und Vermittler mit Empfehlungen und Praxistipps – jetzt auch beim Thema Nachhaltigkeit in der Beratung. Ob BasisinformationenAbfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen einschließlich Dokumentation oder Kundenmerkblatt Nachhaltigkeit: Hier finden Sie wichtige Arbeitshilfen von Kollegen für Kollegen. Dazu Tipps für ein nachhaltiges Maklerbüro und weitere Informationsangebote.

Bitte beachten Sie: Rund um das Thema „Nachhaltige Versicherungen und Finanzanlagen“ ist vieles noch im Fluss. Deshalb aktualisieren wir unsere Informationen für Sie von Zeit zu Zeit. Reinschauen lohnt sich also.

Warum nachhaltig?

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ stammt aus dem 18. Jahrhundert und kommt ursprünglich aus der Forstwirtschaft. Kurz gesagt: Nachhaltig ist, nicht mehr Bäume zu schlagen, als wieder nachwachsen können. Politisch definiert wurde Nachhaltigkeit erstmals 1987 im sogenannten Brundtland-Bericht der Vereinten Nationen: Nachhaltig ist danach eine Entwicklung, „die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen.“ Umgangssprachlich ist deshalb auch von „Enkelgerechtigkeit“ die Rede.

Im September 2015 verabschiedeten die 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen auf dem UN-Gipfel in New York die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Das Kernstück der Agenda bilden 17 Ziele, die sogenannten Sustainable Development Goals (SDGs). Diese gelten für jeden Menschen und weltweit. Kurzgefasst wollen die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung Armut und Hunger beenden und Ungleichheiten bekämpfen, Selbstbestimmung der Menschen stärken, Geschlechtergerechtigkeit und ein gutes und gesundes Leben für alle sichern, Wohlstand für alle fördern und Lebensweisen weltweit nachhaltig gestalten. Weitere Informationen finden Sie auf www.17ziele.de.

Die Europäische Union (EU) will bis 2050 die Netto-Emissionen von Treibhausgasen in der EU auf null fahren und erster klimaneutraler Kontinent werden. Dafür sollen u. a. Kapitalströme in nachhaltige und damit zukunftssichere „enkelgerechte“ Anlagen und Wirtschaftsunternehmen gelenkt werden. Die Ziele sind im „European Green Deal“ verankert. Sie basieren auf dem Pariser Klimaabkommen und den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen. Auf europäischer Ebene spricht man im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit häufig von den ESG-Kriterien. Hier steht E für Umwelt (Environmental), S für Soziales (Social) und G für verantwortungsvolle Unternehmensführung (Governance). Bei Finanzprodukten sollen die ESG-Kriterien nachprüfbare Indikatoren liefern, mit denen Investitionen hinsichtlich ihrer „Nachhaltigkeit“ eingeordnet werden können.  

Rechtsgrundlagen

Die wichtigsten rechtlichen Grundlagen für Nachhaltigkeit in der Beratung liefern die Transparenzverordnung (Offenlegungsverordnung, auf europäischer Ebene SFDR genannt), die EU-Taxonomie, die Delegierte Verordnung (EU) 2021/1257 sowie Ausführungsbestimmungen (RTS).

  • Offenlegungsverordnung (Transparenzverordnung): Sie gilt in Deutschland seit dem 10. März 2021 und konkretisiert u. a. Offenlegungspflichten für Finanzprodukte, die zum Erreichen eines Umweltziels und/oder eines sozialen Ziels beitragen (Art. 8) und Produkte, die nach Art. 9 eine nachhaltige Investition anstreben. Zudem verpflichtet sie Finanzmarktteilnehmer (z. B. Lebensversicherer und Finanzberater), ihren Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken offenzulegen. Unser Mitglied AfW Bundesverband Finanzdienstleistung hat gemeinsam mit dem VOTUM Verband Formulierungsvorschläge für Vermittler erarbeitet.
  • EU Taxonomie: Diese enthält die Kriterien zur Bestimmung, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist. Danach gilt eine Wirtschaftsaktivität als taxonomiekonform, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem von insgesamt sechs Umweltzielen leistet, ohne den anderen zuwiderzulaufen (Do No Significant Harm – DNSH). Zugleich müssen gewisse Mindestanforderungen, z. B. in Bezug auf Soziales und Menschenrechte, erfüllt werden. Die Umweltziele sind Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen. Bislang liegt eine Taxonomie ausschließlich zum Bereich Umwelt (E) vor. Einen ersten, nicht verbindlichen Vorschlag für eine Sozialtaxonomie hat die Plattform für nachhaltige Finanzen im Frühjahr 2022 veröffentlicht. Seitdem sind die Aktivitäten auf EU-Ebene ins Stocken geraten. Für den Bereich G wie Governance ist keine Taxonomie zu erwarten. Hier greifen bereits vorhandene internationale Standards und Abkommen, beispielsweise von den Vereinten Nationen (UN) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
  • Delegierte Verordnung (EU) 2021/1257: Sie aktualisiert die Richtlinien MiFID und IDD mit Blick auf die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren, -risiken und -präferenzen. Die Delegierte Verordnung ist die Rechtsgrundlage für die Abfragepflicht zu Nachhaltigkeitspräferenzen.
  • Ausführungsbestimmungen (Technische Regulierungsstandards/RTS): beschreiben die Einzelheiten und Bezugsgrößen zur Offenlegung nachhaltigkeitsbezogener Informationen. Sie sind am 14. August 2022 in Kraft getreten und müssen seit dem 1. Januar 2023 angewendet werden. Seitdem gab es einige redaktionelle Korrekturen. Laufende Prüfungen sollen sicherstellen, dass die RTS das angestrebte Ziel erfüllen.
  • EIOPA-Empfehlung (Guidance): Im April 2022 hat die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen EIOPA einen detaillierten Entwurf für verbindliche Leitlinien (Guideline) zur Integration von Nachhaltigkeitspräferenzen zur Konsultation gestellt. Dieser sollte ursprünglich bis Mitte Juli überarbeitet und veröffentlicht werden. Stattdessen wurden am 20.7.2022 rechtlich unverbindliche Empfehlungen (Guidance) veröffentlicht. Damit reagiert EIOPA auf Kritik sowie auf die Tatsache, dass einige gesetzliche Vorschriften im Zusammenhang mit nachhaltigen Anlagen bei Veröffentlichung der Empfehlungen noch nicht vorlagen bzw. bislang nicht in Kraft getreten waren. Anfang Dezember 2022 hat die BaFin eine deutsche Übersetzung der Empfehlungen veröffentlicht.

ESG in der Beratung

Fragen Sie im ersten Schritt, ob Ihr Kunde oder Ihre Kundin mit dem Begriff Nachhaltigkeit vertraut ist. Hier geht es nicht um einen Test, sondern um ein gemeinsames Verständnis zum Thema Nachhaltigkeit. Unser Merkblatt Nachhaltigkeit kann dazu einen Betrag leisten.

Die Nachhaltigkeitspräferenzen werden ermittelt, nachdem das Anlegerprofil (Risikoprofil, Risikotragfähigkeit, Risikobewusstsein sowie Risikobereitschaft) erhoben wurde. Eine ausführliche Abfrage zu den Nachhaltigkeitspräferenzen finden Sie auf unserer Downloadseite. Für das Anlegerprofil steht auf der Downloadseite ebenfalls ein Muster bereit.

Die Nachhaltigkeitspräferenzen Ihres Kunden fließen ein bei Ihrer Marktuntersuchung und der späteren Empfehlung. Wenn ein Kundenwunsch zur Nachhaltigkeit im Widerspruch zu seinem Anlegerprofil steht (z. B. Risikotragfähigkeit) oder Sie keine Produkte mit der gewünschten ESG-Ausprägung vermitteln, müssen Sie den Kunden darüber informieren und dies dokumentieren. Ein Produkt, das nicht dem Kundenwunsch entspricht, darf nicht vermittelt werden. Der Kunde kann seine Präferenzen jedoch anpassen. Auch dies muss entsprechend dokumentiert werden. Hinweise zur Beratungsdokumentation finden Sie unter diesem Link.

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